Wie können wir sauber mobil bleiben

Szenekenner Gebhard Cramm gibt einen Überblick und teilt mit driversity seine (über 30 jährige) Erfahrung mit Elektro- und Wasserstoffmobilität sowie weiteren Alternativen.

Alternativlos! Ein Begriff der in der Politik, obgleich häufig sehr umstritten, mittlerweile zum geflügelten Wort geworden ist. Im Hinblick auf die Elektrifizierung unserer künftigen, möglichst klimaneutralen Mobilität bleibt er dennoch unstrittig.

 

Menschen, die mich kennen, werden sich ob dieser Aussage verwundert die Augen reiben, denn schließlich habe ich in meinem Leben über drei Millionen Kilometer im Straßenverkehr mit Verbrennungsmotoren zurückgelegt, und davon auch fallweise mehr oder minder begeistert erzählt. Doch auch wenn ich mich – naturgemäß – nicht an jedes einzelne Auto erinnern kann, bleibt mir eines davon immer präsent: Der General Motors EV1!

Vor gut 22 Jahren hatte ich die Gelegenheit dieses erste serienmäßige Elektroauto der Neuzeit zwei Tage lang zu fahren – knapp 120 Jahre nachdem das allererste Elektroauto, fünf Jahre vor dem Benz Patent Motorwagen, der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Und ich war, trotz vieler Sechs-, Acht- oder gar Zwölfzylinder im Herzen, schlicht begeistert. Die windschnittige Linienführung des kleinen Coupés harmonierte perfekt mit der Lautlosigkeit des Antriebs und der, für damalige Verhältnisse, flotten Beschleunigung. Doch GM stoppte das Projekt und verschrottete 2002 nahezu alle Fahrzeuge – Gerüchten zufolge aufgrund von Interventionen der Ölindustrie.
Die Zeit war noch nicht reif!

Rasante Zuwächse bei Elektroautos

Heute sind wir – angesichts der absoluten Notwendigkeit, CO2-Emissionen senken zu müssen – einen, zwar kleinen aber bedeutenden, Schritt weiter. Die Zahl der angebotenen Elektroautos steigt rasant und die Zuwächse beim Verkauf sind enorm. So wurden bei uns im vergangenen Jahr – nicht zuletzt aufgrund der Fördergelder von bis zu 9000 Euro – laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) knapp 400.000 elektrisch oder teilelektrisch angetriebene Fahrzeuge neu zugelassen, eine Steigerung von 260 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Davon sind allerdings über die Hälfte sogenannte Plug-in-Hybride, also Autos mit Verbrennungs- und E-Motor, sowie extern aufladbaren Akkus. Diese haben den Vorteil, urban elektrisch zu fahren – bis zu 100 km Reichweite –, aber auf Langstrecken mit dem Verbrenner nicht auf eine Ladeinfrastruktur angewiesen zu sein. Denn gerade bei Letzterer hapert es noch.

Bei der Infrastruktur hakt es noch

Und so fragen sich – trotz ständig steigender Akku-Kapazitäten und daraus resultierender größerer Reichweiten – viele verunsicherte Käufer, die etwa in Mehrfamilienhäusern oder Wohnblocks leben, wo bekomme ich den „Saft“ für mein E-Auto her. Entsprechend mahnte erst kürzlich Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), es werden zwar wöchentlich 200 neue Ladesäulen in Betrieb genommen, notwendig seien aber eher 2000. Ebenso ist es erforderlich, die gesetzlichen Vorgaben bezüglich Ladestationen (Wallboxes) in privaten Gemeinschaftsgaragen anzupassen.

Ist denn auch genug Strom da?

Ein weiteres Fragezeichen vor dem alleinigen Siegeszug der E-Mobilität ist, angesichts der Volatilität sogenannter Erneuerbarer Energien (Wind- und Solarstrom), die Versorgungssicherheit. So gibt es laut „Welt am Sonntag“ einen Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums zur Vermeidung einer Netzüberlastung. Darin ist unter anderem vorgesehen, fallweise E-Ladestationen für bis zu zwei Stunden am Tag abzuschalten. Auch wenn darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, Planungssicherheit für E-Autofahrer sieht anders aus.

Es müssen nicht zwingend Akku-Autos sein

Und nicht zuletzt hier drängt sich eine weitere Alternative auf. Während nämlich europäische und amerikanische Autohersteller vorwiegend auf batterieelektrische Automobile setzen, arbeitet man in Asien ergebnisoffener. China, Südkorea und vor allem Japan entwickeln mit viel Aufwand auch mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-Fahrzeuge und die entsprechende Infrastruktur. Vorreiter ist hier insbesondere Toyota mit seinem Mirai.

Die neue, zweite Generation (ab März 2021 beim Händler) der großen Limousine kann in gerade mal fünf Minuten für eine Reichweite von 650 km betankt werden – ein großer Vorteil gegenüber dem Batteriestromer. Dennoch ist der Antrieb mit Wasserstoff eher ein Wechsel auf die Zukunft. Denn Brennstoffzelle und erforderliche Drucktanks (bis zu 700 bar) sind teuer und der Wirkungsgrad des Systems – das Verhältnis von erzeugter zu eingesetzter Energie – liegt bei nur 20 –­ 30 Prozent (Batterie-Auto 70 Prozent). Zudem ist die Infrastruktur für Wasserstoff bei uns derzeit mit rund 90 Tankstellen sehr überschaubar. Ein großer Vorteil ist hingegen die Möglichkeit, von Wind- oder Solaranlagen erzeugte überschüssige Energie gasförmig zu speichern. Außerdem bietet Wasserstoff sich für Mobilität an, die durch das hohe Gewicht von Akkus unwirtschaftlich ist oder technisch gar unmöglich wäre. So arbeiten bereits 62 Hersteller, Energieversorger und Logistikunternehmen an Wasserstoff-Lkws und im nördlichen Niedersachsen sind seit 2018 zwei Wasserstoffzüge im Linienbetrieb. Darüber hinaus hat Airbus angekündigt, 2035 das erste Wasserstoff-Flugzeug auf den Markt zu bringen.

Der Verbrenner lebt weiter

Doch auch der Verbrennungsmotor dürfte noch nicht am Ende sein. Insbesondere für die Mobilität in entlegenen und infrastrukturell schlecht entwickelten Gegenden der Welt könnte ein mit synthetischem Kraftstoff etwa aus Erdgas, Kohle oder Biomasse –betriebener, CO2-neutraler Verbrenner eine künftige Mobilitätslösung darstellen.

Ohne Vernetzung wird das nichts

Aber selbst wenn wir alle derzeitigen Autos durch klimaneutrale und saubere Fahrzeuge ersetzen, sind die Staus auf unseren Straßen noch nicht weg, bleiben der enorme Flächenverbrauch und auch die Feinstaubbelastung durch Reifen und Bremsen. Hier können erst eine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs durch Vernetzung unterschiedlicher Mobilitätssysteme (Fahrrad, Scooter, Öffis), Sharing Economy, sowie eine Veränderung unserer Arbeitswelt (Home-Office?) Abhilfe schaffen. Es wird also bei allem technischen Fortschritt auch darauf ankommen, dass wir es schaffen, unser Verhalten zu ändern, um auch künftig mobil sein zu können.

Wie das gelingen kann? Wir müssen einfach anfangen! Und aus meiner Sicht bietet driversity, eine ideale Plattform, gemeinsam, mit Menschen und Unternehmen, Neues auszuprobieren, gemeinsam zu lernen und so zu neuen Lösungen zu kommen, um die Mobilitätswende anzutreiben.

Die Zukunft steht unter Hochspannung!