Von Anfang an alle miteinbeziehen

Wie genau hängen Mobilitäts- und Quartiersentwicklung zusammen? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Talkrunde „5 vor 10“ – und vier Gäste lieferten ganz unterschiedliche Einsichten.

Egal, ob neu geplante Quartiere oder traditionelle Wohnviertel, egal ob Groß- oder Kleinstadt, wir alle wünschen uns ein Umfeld, das Alternativen zum Auto bietet. Aber welche Möglichkeiten gibt es, diese Vision zu realisieren? Moderator Maxim Jonelat (Neue Effizienz) begrüßte zur dritten Runde „Talk 5 vor 10“ Bärbel Offergeld (Spezialistin für Architektur und Stadtentwicklung, Urban Catalyst GmbH), Ricarda Gallas (Managerin Bildung, Neue Effizienz), Ralph Rase (Head of Mobility & Innovation Division, Toyota Kreditbank) und Bastian Hagmaier (Projektleiter freiRaum Ottensen – Das autoarme Quartier, Hamburg). Hier einige spannende Denkanstöße:

Ricarda Gallas, die eine Weile in den Niederlanden gelebt hat, machte dort folgende Beobachtung: „Selbst in den kleinen Städtchen gibt es immer einen netten Stadtkern, der den Bewohnern alles bietet, was sie zum Leben brauchen. Das ist in deutschen in Kleinstädten oft nicht der Fall. Aber es wäre ein guter Ansatz, um den motorisierten Individualverkehr dauerhaft zu reduzieren.“ Darauf basiert auch das Konzept der 15-Minuten-Stadt, in der alle Wege des Alltags in weniger als 15 Minuten bestritten werden können. Ricardas Wunsch: „Wir müssen uns regelmäßig austauschen, um Verständnis für unterschiedliche Lebensentwürfe zu entwickeln.“

Ein halbes Jahr lang wurden 2019 einige Straßen im Hamburger Szeneviertel Ottensen als verkehrsberuhigter Raum erprobt. Nun soll hier autoarmes Quartier entstehen. Bastian Hagmaier erklärte, dass es ein großes Bedürfnis an Veränderungen gebe, aber die Rahmenbedingungen eines gewachsenen Viertels eine Umsetzung schwierig gestalten. „Ich glaube, viel funktioniert über ein gemeinsames Denken. Es gibt tolle Beispiele bei uns im Quartier, wo statt Poller ein Klappstuhl mit einem nett gemalten Schild dazu geführt hat, dass da keine Autos mehr parken, weil das sozial getragen und akzeptiert wird.“ Grundsätzlich müsse man auf eine sozialverträgliche Umsetzung der Pläne achten, weil sonst die Gefahr bestehe, Verdrängungsmechanismen im Viertel in Gang zu setzen.

Die Toyota Kreditbank ist Mobilitätspartner des Berliner Zukunftsquartiers „Neulichterfelde“. Ralph Rase warb für mehr Austausch zwischen Politik, Verwaltung, Projektentwicklung und Mobilitätsanbietern – und zwar von Anfang an. Wichtig sei beim Planen auch, die Frage der Finanzierbarkeit im Kopf zu behalten. Auch Ralph plädierte für Lösungen, die keine Zweiklassengesellschaft in Quartieren, Städten oder auf dem Land produzieren. „Wir möchten, dass die Menschen miteinander leben, nicht gegeneinander.“

 

Bärbel Offergeld berichtete von einem Real Labor, das sie zehn Tage lang auf der Wolbecker Straße in Münster einrichten durfte: „Bewohner konnten so neue Ansätze der Mobilität ausprobieren und ein Gefühl dafür bekommen, was möglich ist. Im Idealfall ändert sich das Mindset und bietet so eine Grundlage für weitere Diskussionen.“ Generell sollten wir darauf achten, in der Diskussion den Fokus nicht auf das Problem, sondern auf die Lösung zu legen: „Unsere Aufgabe ist es, den Menschen die Alternativen so zu kommunizieren, dass Veränderungen für sie nicht immer gleich Verzicht bedeuten.“

 

Text: Iris Soltau

Grafiken: Tobias Wieland