Mental Health

– in der Business- und VUCA Welt –

 

Hurra, hurra wir leben in der VUCA-Welt. Ein Traum! 

Ach nee, doch nicht ganz.

 

Die Digitalisierung macht vieles einfacher, schneller und transparenter. Soweit so gut. Doch das endlose und jederzeit verfügbare Überangebot an Informationen, Bewertungen und ‚Chancen‘ führt gleichzeitig zu Zwang, Überforderung, Orientierungslosigkeit, Stress und Schlaflosigkeit.

Brave new world.

Wurden bis vor wenigen Jahren Psychiater*innen meist nur mit Anlaufstellen für „Verrückte“ in Verbindung gebracht, sind diese Expert*innen heute in fast allen Lebensbereichen gefragter denn je. Mittlerweile ist es  gesellschaftlich akzeptiert, einen Sport-/ Paar-/ Karriere-oder Life-Coach zu haben. Leider meist aber zu spät als verzweifelte Reaktion auf eine bestehende Ausweglosigkeit. Bis dies zur proaktiven Prävention toleriert – oder besser – gefördert wird, ist es noch ein weiter Weg, gerade im beruflichen Kontext.

Jeder Schritt dorthin zählt – und macht sich auch für Unternehmen bezahlt.

Der Start: Jede*r kann für sich selbst viel Gutes tun: von der Reflexion über Meditation, Bewegung, Atmung bis zum Lach-Yoga gibt es zahlreiche Tools auf dem Weg zur Selbstliebe und -erkenntnis. Einfach auf und in den den Körper horschen, Zeit und Ort dafür bewusst nehmen. Z.B.  Handy weg in der Bahn, Kopf hoch und mit einigen der Sinne diesen Moment aufmerksam erleben.

Und damit startet die Mental Health-Reihe auf driversity.

Danke an Elena Kornettka von der GLS Bank für den Auftaktbeitrag zu dieser Serie. Weitere folgen – gerne mit euren Geschichten, Meinungen und Beispielen aus privatem und (vorzugsweise) beruflichem Umfeld. ^FS

Elena, Frederic und die Frage:
"how are you, REALLY?"

Achtsamkeit –

Eigentor oder Burnout?

„Burnout“, „Notbremse“. Der Job als „seelenfressender Kraftakt“. Max Eberl, heute ehemaliger Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach, verabschiedete sich Ende Januar unter Tränen in einer Pressekonferenz aus seinem Amt. Der Druck, den die eigenen Ansprüche und die des Vereins erzeugten, wurde zu viel. „Die ständige Beurteilung und Bewertung durch Medien und soziale Netzwerke“ brachten das Fass zum Überlaufen.

Psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen treten in der Arbeitswelt häufiger auf, als man meint. Das ist aber viel weniger der eigenen Ignoranz, als vielmehr dem Umstand geschuldet, dass sich fast jede*r zweite Arbeitnehmer*in nicht traut, Probleme im Job anzusprechen. Gleichzeitig gehören Depressionen, Erschöpfung, Angststörungen und weitere psychische Krankheiten zu den häufigsten Gründen, warum Menschen im Job ausfallen.

Derzeit leiden offiziell rund 8% der Erwachsenen unter einer behandlungsbedürftigen Depression. In Deutschland sind es etwa 17,8 Mio. Menschen.

Das Thema Therapie ist auf dem Arbeitsplatz ein Tabuthema. Gerade in den letzten zwei Jahren verstärkten sich Existenz- und Verlustängste durch pandemiebedingte Entlassungen. Ein Teufelskreis, der wiederum dazu führt, mentaler Gesundheit auf der Arbeit umso weniger Platz einzuräumen und mit eigenen Gedanken weniger offen umzugehen.

„Eine erhöhte Covid-19-Infektionsrate und eine verringerte Bewegungsfreiheit der Menschen ist mit einer erhöhten Prävalenz von schweren depressiven Störungen und Angststörungen verbunden“ bestätigt eine Studie der Universität in Brisbane. 53 Mio. Fälle von Depressionen und 76 Mio. Betroffene von Angststörungen seien demnach auf die Coronakrise zurückzuführen. Diese globalen Steigerungen von 28%, bzw. 26% betreffen in erster Linie jüngere Menschen und Frauen, die durch fehlende Interaktion mit Gleichaltrigen, Schulschließungen und die Angst vor Arbeitslosigkeit besondere Herausforderungen zu bewältigen haben. Pflege- und Haushaltspflichten durch Homeschooling, Homeoffice, Home-sein-und-sonst-nirgends nahmen unverhältnismäßig stark zu.
Aber auch neue Arbeitskonzepte können bei mangelndem Ausgleich zur Belastung werden. Private und berufliche Sphären verschwimmen immer mehr, was in permanenter Anspannung durch das Gefühl dauerhafter Erreichbarkeit münden kann, aber auch die Bewertung der eigenen Arbeit und Identität beeinflusst. Berufliche Erfolge werden so schnell zu identitätsstiftenden Achievements, Misserfolge gleichgesetzt mit persönlichem Versagen. Dass viele Jobs heute nicht mehr nur reines Abarbeiten sind, sondern die Identifikation mit dem Unternehmen und die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns immer wichtiger werden, führt zwar idealerweise zu mehr Zufriedenheit, kann aber auch entsprechend schneller ins andere Extrem umschlagen.

Gerade im Homeoffice fehlen soziale Interaktionen, Eindrücke und Beziehungen, die unser Selbstbild auch abseits der Produktivität stärken können. Vielmehr wird es nun wichtig, sich selbst Erholungsphasen einzubauen und sich Rückzugsorte zu schaffen.

Dieser fließende Übergang von Arbeits- und Privatleben und die verstärkte digitale Ablenkung führt möglicherweise aber auch am Arbeitsort dazu, die Menschen in unserem Umfeld weniger aufmerksam wahrzunehmen. Mögliche (Über-)Belastungserscheinungen zu erkennen, die nicht direkt kommuniziert werden, setzt Zuhören, Aufmerksamkeit und ein Bewusstsein für mögliche Red Flags voraus. Sensibilisierungsmaßnahmen können hier gleichermaßen helfen, Warnzeichen zu erkennen und Räume zu schaffen, in denen Vertrauen und Ehrlichkeit kultiviert wird. Somit kann auch die offene Kommunikation der eigenen Emotionen ermöglicht und Stigma und Scham reduziert werden. Nur wer den Mut, bzw. den Anspruch hat, negative Emotionen mitzuteilen, kann Hilfsangebote erhalten und diese dementsprechend wahrnehmen.

Im Falle von Max Eberl reagierten verschiedene andere Vereine mit Mitgefühl und brachten öffentlich ihre Absichten zur Weiterbildung zum Ausdruck: „Max Eberls Entscheidung zeigt, dass es noch eine Gesundheit und ein Wohlbefinden abseits von Muskeln und Faserrissen gibt, um die wir uns stärker kümmern müssen.“ wünscht Zweitligist FC Schalke 04 auf Twitter.

Es bleibt also zu hoffen, dass den Worten und Gedanken Taten folgen. Eine gesunde Führung sollte Mut zur Pause und Achtsamkeit in der Kommunikation mitbringen. Auf unternehmerischer Seite muss Zeit investiert werden, um Lösungen zu finden, die auf den jeweiligen Arbeitskontext angepasst sind und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigen. Diese bei Kündigungsgedanken einfach „vom Bleiben überzeugen“ zu wollen, sei hierbei der falsche Weg. Signale sollte man richtig deuten, um physische und psychische Belastungen abzuwenden, oder Mitarbeitende in Krisensituationen angemessen zu begleiten. Hier kann die Neustrukturierung von Arbeit vielleicht also auch eine Chance sein, Prozesse neu zu denken und den Menschen einmal mehr in den Fokus zu rücken.

Mehr Informationen zu Depressionen am Arbeitsplatz und Kontaktadressen für Betroffene und Arbeitgeber*innen gibt es zum Beispiel bei der deutschen Depressionshilfe. Weitere Anlaufstellen können aber auch der/die Hausärzt*in, oder die Telefonseelsorge sein. Ein Verzeichnis von Psychotherapeut*innen gibt es hier.

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