„4 Tage effektives Arbeiten und 3 Tage Zeit für sich, Familie, Freizeit oder Weiterbildung. 
– Ich bin der festen Überzeugung, dass so heutzutage gearbeitet werden muss.“ –   

Theresa Schleicher, Geschäftsführerin bei VORN

Die 4-Tage-Woche, ein Arbeitsmodell, das einst Zukunftsgedanke war, doch immer mehr Einklang in der Arbeitswelt findet, so auch bei der Strategieberatung VORN. „Newbie” im 4 Tage-VORN-Kosmos & Purpose Explorerin Carina Erhardt hat Theresa Schleicher (Zukunftsforscherin & Geschäftsführerin) und Frieda Bellmann (Mobility Expert & Director of Human-Centered Innovation) hierzu befragt. 

Lasst uns direkt mit dem „WHY“ starten. – Warum habt ihr Euch für eine 4-Tage-Woche entschieden?

Theresa: Fast vor einem Jahr, im Juni 2020 haben wir uns für eine 4-Tage-Woche entschieden. Zuerst haben wir das Ganze 6 Monate auf Machbarkeit geprüft. Denn gerade die ad hoc- Umstellung von einer 5- auf eine 4-Tage-Woche ist nicht einfach. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass so heutzutage gearbeitet werden muss. 4 Tage Arbeit und dann 3 Tage Zeit für sich, die Familie, die Freunde und die Freizeit. Gerade in der für viele auch mental schwierigen Coronazeit“ hat es uns geholfendenn unsere Mitarbeiter:innen waren dadurch ausgeglichener.

Wie sieht eine 4-Tage-Woche bei VORN aus?

Frieda: Wir arbeiten hier alle gemeinsam von Montag bis Donnerstag. Dabei werden die ursprünglichen 40 Stunden nicht auf die restlichen Tage verteilt, sondern es wird mit einer Reduktion der ursprünglichen Arbeitszeit auf 80 (32 Stunden) gearbeitetDer Freitag ist somit der freie Tag für uns alle. Gerade die effiziente Denkweise und schnelle Arbeitsweise bei VORN helfen uns, Aufgaben in weniger Tagen zu bewältigen, als andere dafür vielleicht sonst benötigen würdenHinzu kommt eine Verringerung von Entscheidungs- und Abstimmungsloops aufgrund der flachen Hierarchie und der engen Zusammenarbeit im Projektteam und mit den Kund:innen

Wie sehen die Konditionen bei einer 4-Tage-Woche aus?

Theresa: Beim Gehalt haben wir gemerkt, dass wir hier nicht 1 zu 1 vorgehen können, da die Produktivität trotz weniger Arbeitszeit nicht 1:1 abnimmt. Deshalb haben wir gemeinsam entschieden, dass wir bei 80 % der herkömmlichen Arbeitszeit ein Gehaltsanteil von 90 % des ursprünglichen Gehalts bekommen. Die Urlaubstage hingegen werden prozentual (80 %) von den festgelegten 30 Tagen abgezogen. Trotzdem muss das Ganze als Gesamtkonstrukt betrachtet werden. Neben dem klassischen Urlaub kann sich jede:r bei uns Bildungsurlaub für die persönliche Weiterbildung und Weiterentwicklung nehmenSofern es zu dem passt, was wir bei VORN machen und es den Mitarbeiter:innen guttut, gibt es dafür ein passendes Weiterbildungsbudget. Auch Teilzeit-Jobs sind in einer Vier-Tage-Woche möglich, solange man sich gemeinsam tief in die Augen guckt, was noch produktiv ist und ab wann es einfach zu wenig Zeit für die Arbeit wird.

Welchen Nutzen bringt die 4-Tage-Woche einem Unternehmen?

Theresa: Wir haben die 4-Tage-Woche als Ausdruck unserer Kultur eingeführt. In unserer Unternehmenskultur herrscht ein hohes Vertrauen in die Eigenständigkeit der Menschen und wir merken, dass die Mitarbeiter:innen entspannter, motivierter und oft klarer in ihren individuellen Themen sind. Ob wir sinkende Krankheitstage und eine schwindende Fluktuation darauf zurückführen können, wird sich noch zeigen. Wir sind gespannt, wie sich das Arbeitsmodell langfristig bewähren wird. Doch in der aktuellen Zeit machen wir überwiegend positive Erfahrungen, auch hinsichtlich unseres eigenen Wachstums.   

Frieda: Gerade bei der Gewinnung von spannenden und talentierten Mitarbeiter:innen merken wir, dass dieses Angebot positiven Anklang findet und unsere Attraktivität als potentielle:n Arbeitgeber:in steigert. Bei Newbies gibt es auch das Gefühl der Überforderung: „Was fange ich mit dem freien Tag an?“. Aber dieser Leerraum füllt sich ganz schnell. Wir möchten hier einen Raum zur Selbstverwirklichung ermöglichen – die Beschäftigung beispielsweise mit Kryptowährung oder das Aufsetzen eines Onlineshops, einfach die Zeit zu haben, um Dinge auszuprobieren und Neues zu lernen. Meistens sind die Erkenntnisse, die an diesen Tagen gesammelt werden, auch etwas, das sich für VORN auszahlt. Denn genau solche Persönlichkeiten suchen wir bei VORN, die neugierig, explorativ und offen durch die Welt gehen sowie sich mit aktuellen Trends und Innovationsthemen beschäftigen. 

Welchen Vorteil bietet die 4-Tage-Woche den Mitarbeiter:innen?

Theresa: Durch das Verhältnis von 4 Tagen Arbeit und 3 Tagen Freizeit schaffen wir einen guten Ausgleich und geben der Arbeit eine andere Gewichtung in unserem Leben. Auch haben wir uns mehr zu erzählen, z.B. persönliche Freitagsgeschichten rund um neue Sportarten, Seminare, spannende Bücher oder einfach entspannte Trash TV Sendungen. In den 4 Tagen arbeiten wir effizienter und intensiver. Unproduktive Abstimmungs-Meetings lassen wir meistens aus und wählen schnellere Wege.  

 Frieda: Einen Tag mehr in der Woche für sich und seine Themen zur Verfügung zu haben und dabei die Freiheit zu haben, dem nachzugehen, was man gerne macht oder immer schon machen wollte, beeinflusst uns nachhaltig positiv – bei VORN, aber auch persönlich. Es ist total spannend, was jede:r so am freien Tag macht, sei es ehrenamtlich bei wichtigen Zukunftsthemen wie der Klimakrise zu unterstützen, einen eigenen saisonalen Gemüsekalender zu entwickeln oder sich freitags der eigenen Weiterbildung zu widmen. Gerade in unserem Bereich ist es wichtig, sich über die neusten Themen mit anderen Thoughtleader:innen auszutauschen und zu netzwerken. Da hilft der Freitag meist für gemeinsame Treffen, die sonst in einem „normalen Arbeitsalltag“ neben dem Berufs- und Privatleben keinen Platz mehr finden würden. Dadurch Neues von anderen Menschen kennenzulernen sowie der allgemeine soziale Austausch – sei es privater, inhaltlicher oder strategischer Natur – ist auch das, was uns immer wieder nach VORN bringt. 

 

Gibt es auch Nachteile, die mit der Umstellung aufgetreten sind? Wie seid ihr damit umgegangen?

Theresa: Die ersten Nachteile zeigten sich deutlich zu BeginnGerade Mitarbeiter:innen die schon in Teilzeit waren oder den Rhythmus von Montag bis Donnerstag aufgrund ihrer familiären Situation nicht einhalten konnten, fühlten sich nicht berücksichtigt. Wir mussten individuelle Arbeitsmodelle schaffen, die auch nicht jeden von Anfang an glücklich gemacht haben. Die Corona Krise kam zusätzlich erschwerend hinzu und so musste neben Homeoffice und Homeschooling noch die kapazitäre Umstellung auf die 4-Tage-Woche verdaut werden. Das hieß auch neue Leute einstellen, die natürlich auch erst eingearbeitet werden mussten. Natürlich gab es da auch anfangs Momente, an denen der ein oder die andere sich am Freitag noch mal kurz hinsetzen musste. Dadurch haben wir gelernt, was wir in 4 Tagen schaffen und was nicht. 
 
Frieda: Wir mussten die alte „Arbeitsschule“ verlernen und Arbeitsschritte plötzlich effizienter gestalten als zuvor. Jeder Schritt und jedes kleine Detail wurden im Arbeitsalltag hinterfragt: Ist das jetzt wirklich notwendig? Man kann sich das vorstellen wie eine Effizienzmaschine, die man anschmeißt und plötzlich überrascht ist, wie gut sie funktioniert. Das ist auch eine Veränderungs- und Lernaufgabe, mit der es sich zu beschäftigen gilt. Nebenbei gibt es dann auch noch die Kund:innen, die auf dieser Reise mitgenommen werden müssen. Hierbei ist die klare Kommunikation eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Wir haben das Glück, dass sich unsere Kund:innen darauf einlassen und uns als eine Inspiration für eine neue Arbeitswelt sehen. 

Was könnt ihr Unternehmen, die eine Viertagewoche einführen möchten, mit auf den Weg geben?

Frieda: Aus der Führungsperspektive heraus bedeutet das auch einfach mutig zu sein, neue Dinge auszuprobieren und die Kontrolle abzugeben. Denn ein „Ja“ zu einem neuen Arbeitsmodell bedeutet vor allem den Glauben und das Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter:innen. Eine Neustrukturierung des Arbeitsalltags, die gemeinsame Lernreise und die Erfahrung in einer neuen Arbeitswelt braucht Entschlossenheit, aber auch Anpassungsfähigkeit auf allen Seiten. 

 Theresa: Zu Beginn sollte sich das Unternehmen damit auseinandersetzen, welche Konditionen es anbietet und diese klar definieren. Dabei gilt es, die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter:innen,  wie den Arbeitstag, Arbeitsdauer, Zeitpunkt von Arbeitsanfang und -ende zu berücksichtigen, gleichzeitig die Produktivität und den finanziellen Erfolg des Unternehmens im Blick haben. Deshalb ist es unabdingbar als Verantwortliche:r Vorarbeit zu leisten und alle Stakeholder:innen zu berücksichtigen. Allgemein sollte diese Veränderung nicht von oben herab bestimmt und der Unternehmenskultur übergestülpt werden, sondern vorab mit den einzelnen Mitarbeiter:innen besprochen werden.  

Der Blick durch die VORN Zukunftsbrille: Die 4-Tage-Woche als Realitätsmodell – was kommt danach?

Theresa: Ich denke nicht, dass in nächster Zeit die 3-Tage-Woche kommen wird. Was die 4-Tage-Woche letztlich abbildet ist eine höhere Wertschätzung gegenüber dem Privatleben. Und das kann ganz unterschiedliche Formen haben. Das können zukünftig Teilzeit/Sharing-Jobs oder Weiterbildungsangebote sein. Mit Blick auf den Arbeitsort können es flexible Modelle oder hybride Modelle aus Office und Homeoffice sein, die Auslagerung in Co-Working Spaces, Workation Programme oder der „Digitale Nomaden“ Ansatz. In Zukunft werden sich viel mehr Unternehmen mit der Frage beschäftigen: Wie geben wir den Mitarbeiter:innen das, was sie brauchen, um Beruf und Alltag gut miteinander zu verbinden?  

FriedaGerade die Themen „Work-Life-Blending“, also das Verschmelzen von Berufs- und Privatleben sowie das Arbeiten aus der „Ferne“ – also Remote Work – werden nach der baldigen Rückkehr zum Arbeitsplatz für viele Mitarbeiter:innen gefragt sein. Der eine möchte einen Monat von Portugal aus arbeiten, die andere möchte 2 Tage vor Ort und wiederum 2 Tage aus dem Home-Office und wiederum andere freuen sich endlich wieder auf die gemeinsame Projektarbeit im Office. Insgesamt wird es einfach immer wichtiger werden, die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum der Arbeitsmodelle und -formen zu stellen. 


Der Mensch im Mittelpunkt – auch bei der Reiserichtlinie eines Unternehmens – ist unter dem Titel „Dynamic Travel Frame“ als driversity Projekt zu finden.