E-Fuels – König:innenweg zur emissionsfreien Mobilität?

Klimawandel, Verkehrswende, Abwrack- und Umtauschprämien, Verbote, Tempolimits und Dieselskandal. Dazu möglichst korrektes Gendern in allen gesellschaftlichen Bereichen und der scheinbar unvorstellbare Switch zur grünen Transformation. Das Leben ist schön (gewesen), Verhaltensänderung und Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele jedoch weniger.

Zumindest fühlt es sich oft anstrengend an, aus der Komfortzone zu gelangen und sich der VUCA-Welt zu öffnen. Dazu unzählige Debatten und Lösungsvorschläge zu Hause (am Stammtisch) oder im TV (bei Lanz) mit Emotionen, Halbwissen und ausgefahrenen Ellbogen. Wer hat nun eigentlich recht und wo sollen wir anfangen?

Auch wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, wollen jedoch einen Kenner der Szene zu Wort kommen lassen: Gebhard Cramm.

Autor Gebhard Cramm teilt mit driversity seine Einschätzung zu e-Fuels und
greift dabei auf seine fast 40jährge Erfahrung mit Elektro- und Wasserstoffantrieben zurück.

Eines der drängendsten Probleme unserer Zeit ist der Klimawandel.  

Um die steigende Erderwärmung mit deren möglichen katastrophalen Folgen zu begrenzen haben im Jahr 2015 195 Staaten, darunter auch die EU und Deutschland das Pariser Klimaschutzabkommen geschlossen. In diesem Vertrag mit dem Ziel die globale Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter langfristig auf unter 2 Grad Celsius, besser noch 1,5 Grad Celsius, zu beschränken verpflichten sich die Unterzeichner ihre CO2-Emissionen drastisch zu verringern. Dafür erforderlich sind ein massiver Ausbau Erneuerbarer Energien, energetische Gebäudesanierungen, der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, sowie die weitgehende Elektrifizierung von Wärme, Industrie und Verkehr. Doch was bedeutet diese Reduzierung des Treibhausgasausstoßes für unsere individuelle Mobilität der Zukunft? Denn von den weltweiten CO2-Emissionen verursacht allein der Verkehr rund 18 Prozent. Und angesichts eines Kraftfahrzeug-Bestandes von derzeit rund 1,3 Milliarden Einheiten auf der Welt, der zudem jedes Jahr um rund 100 Millionen wächst, stehen wir hier vor einer Herkulesaufgabe. 

 

Um diese zu lösen, setzen die Automobilhersteller überwiegend auf Elektroautos (BEV Battery Electric Vehicles und PHEV Plugin Hybrid Electric Vehicles). Beträgt deren Anteil am Pkw-Bestand in Deutschland derzeit 3,9 Prozent, so soll er laut Prognosen bis 2025 auf 11,1 Prozent und bis 2030 gar auf 24,4 Prozent steigen. Das bedeutet im Gegenzug aber, dass es bei derzeit rund 60 Millionen zugelassener Kraftfahrzeuge in Deutschland dann immer noch rund 45 Millionen Verbrenner auf den Straßen gäbe. Um die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs zu beschleunigen, setzt die Bundesregierung deshalb auf die Förderung von E-Autos und die Pflicht für Mineralölunternehmen – aufgrund der sogenannten Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) – ihrem Sprit etwa Biokraftstoff beizumischen. Dessen Anteil soll bis 2030 25 Prozent betragen. 

 

Derlei Maßnahmen zur CO2-Reduzierung im Verkehr sind nach Ansicht der EU aber nicht ausreichend. Deshalb wurde Ende März dieses Jahres von den EU-Verkehrsministern ein strengeres Gesetz zur CO2-Reduzierung für neu zugelassene Pkw beschlossen. Danach soll bis 2030 der CO2-Ausstoß um 55 Prozent gegenüber 2021 (bisher 37,5 Prozent) gesenkt werden. Darüber hinaus dürfen ab 2035 keine Neuwagen mehr zu gelassen werden, die mit Benzin oder Diesel laufen. 

 Dieses quasi „Aus“ des Verbrennungsmotors ruft aber auch Kritiker auf den Plan.  

So machte beim diesjährigen Wiener Motoren Symposium der österreichische Antriebspapst Professor Bernhard Geringer zwar deutlich, dass die Autoindustrie klar auf Elektromobilität setze. Dennoch sei es ein Fehler, dies als einzigen Weg zu sehen. Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEVs) sind nicht immer „die Antwort auf eine nachhaltige Transformation“.

„Ein BEV mit einer Batterie, die aus Kohlestrom hergestellt wird, und einem E-Motor, der mit Kohlestrom angetrieben wird, hat schlimmere Auswirkungen auf die Umwelt als jeder Benzinmotor.“

Die Ansicht, dass es künftig verschiedene Antriebssysteme geben müsse vertrat bei derselben Veranstaltung auch Dr. Thomas Pauer, Executive Vice President bei Robert Bosch:

„Sie müssen den rechtlichen, ökologischen und sozialen Bedingungen der jeweiligen Region entsprechen – und sie müssen bezahlbar sein“. 

 

Ähnlich technologieoffen wie die beiden Fachleute und weitere Forscher zeigt sich auch der der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing. So setzte die Bundesregierung beim neuen Gesetz zur CO2-Reduzierung durch, dass die EU-Kommission klären muss, wie auch nach 2035 neue Autos mit Verbrennungsmotoren, die ausschließlich mit sogenannten E-Fuels laufen, zugelassen werden können. Diese E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Derartige Fahrzeuge sollen in die Kategorie „e-fuels only“ eingestuft und in die Flottengrenzwert-Regulierung einbezogen werden. Um zu verhindern, dass auch fossile Kraftstoffe getankt werden, sollen sensorgesteuerte Abschaltvorrichtungen installiert werden. Wie der gesetzliche Rahmen exakt aussieht, soll bis zum Herbst 2024 beschlossen werden. 

 

Lösungen aus der Natur?

Synthetische Kraftstoffe lassen sich einerseits aus nachwachsenden Rohstoffen wie etwa Mais, Raps, Weizen oder Palmöl herstellen. In großem Maßstab führt das jedoch zu schweren Umweltzerstörungen. Denn für die erforderlichen Anbauflächen wurde und wird Urwald gerodet. In großem Maße beispielsweise für Palmölplantagen – für Lebensmittel, Kosmetik und auch Beimischungen für Kraftstoff. 

Erheblich vielversprechender und umweltfreundlicher sind da synthetische Kraftstoffe die auf Wasserstoff basieren. Voraussetzung für ihre Herstellung ist regenerativer Strom aus Wind oder Solarkraft. Mit diesem Strom wird Wasser mittels Elektrolyse in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespalten. Anschließend wird der Wasserstoff mit Kohlendioxid (CO2) verbunden, das bei verschiedenen industriellen Prozessen anfällt, idealerweise aber direkt der Luft entnommen wird. Letzteres geschieht über das so genannte Direct Air Capture-Verfahren (DAC), bei dem große Ventilatoren Umgebungsluft durch Filter blasen, an denen sich das in der Atmosphäre enthaltene Kohlendioxid anlagert. Aus Wasserstoff und Kohlendioxid wird eMethanol erzeugt und daraus wiederum synthetisches Roh-Benzin. Im letzten Schritt entsteht eBenzin, das in jedem existierenden Ottomotor verwendet werden kann. Durch kleinere Veränderungen im Prozess lassen sich ebenso eDiesel und eKerosin herstellen. Als erster Automobilhersteller hat sich Porsche dieser Technologie gewidmet und im südlichen Chile eine entsprechende Pilotanlage gebaut, die rund 130.000 Liter eFuel pro Jahr erzeugen soll. 

VW ID2 für 2025, Quelle: Volkswagen | Porsche eFuel-Pilotanlage, Patagonien, Quelle: Porsche | HVO-Herstellung, Quelle: DB

Der „Königsweg“ zur emissionsfreien Mobilität?  

Leider nicht, denn aufgrund des in den verschiedenen Prozessen zur Herstellung von eFuels sehr hohen Energieverbrauchs ist der Wirkungsgrad vergleichsweise bescheiden. Beim Einsatz von eFuels in einem Verbrennungsmotor werden nur rund 10  Prozent der ursprünglich im Strom vorhandenen Energie für den Antrieb des Fahrzeuges genutzt – im Gegensatz zu rund 64 Prozent in einem Elektroauto. Dazu kommt, dass die Erzeugung regenerativer Energien (Wind- und Solarstrom) bei uns in Deutschland eher begrenzt ist und zusätzlich für Industrie und Heizung benötigt wird. Nicht umsonst hat Porsche seine Pilotanlage im sonnigen und windigen Patagonien gebaut. Ein zusätzliches Hindernis für eFuels sind die derzeit mit knapp 10 Euro/Liter kalkulierten Erzeugungspreise. Wobei verschiedene Studien prophezeien, dass diese Preise bis zum Ende des Jahrzehnts auf 1,70 bis 1,20 Euro sinken werden. 

Ist möglicherweise das Zauberwort HVO eine Alternative?  

Hinter dem Kürzel steckt die englische Bezeichnung „Hydrogenated Vegetable Oils“, auf Deutsch „hydrierte Pflanzenöle“. Dabei handelt es sich um eine Dieselkraftstoffvariante, die – hergestellt aus Abfall und Reststoffen – 90 Prozent weniger CO2-Emissionen verursacht als herkömmlicher Diesel. HVO und Biodiesel werden aus organischen/erneuerbaren Biomassen hergestellt und sollen fossile Brennstoffe ersetzen, unterscheiden sich aber in ihrer chemischen Zusammensetzung und im Produktionsprozess. Bei allen Vorteilen steht HVO aber auch in der Kritik, weil die für die Produktion genutzten Fette und Öle oft in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion stehen. Im Fokus steht hier vor allem Palmöl, das in Kürze nicht mehr für Biokraftstoffe verwendet werden darf. Stattdessen soll der Einsatz von Abfall- und Reststoffen sowie von tierischen Fetten oder auch Algen erweitert werden. Bei uns darf HVO bislang nur zu 26 Prozent konventionellem Diesel beigemischt werden. Es ist aber zu erwarten, das ab 2024 auch hundertprozentiges HVO zugelassen wird. Wie teuer das wird hängt von der Besteuerung ab – Hersteller betonen, das die Erzeugung rund 15 Cent mehr kostet als bei konventionellem Diesel. 

 

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“.  

Dieser Satz wird häufig dem Münchner Komiker Karl Valentin zugeschrieben und passt auch sehr gut zu unserer künftigen Mobilität. Bis jetzt steht lediglich fest, dass der Antrieb überwiegend batterieelektrisch erfolgen wird! Ausnahmen davon sind vor allem Flug- und Schiffsverkehr. Hier gibt insbesondere Wasserstoff Anlass zu Hoffnung, aber auch eFuels dürften da gefragt sein. Inwieweit letztere im Straßenverkehr verwendet werden, hängt nicht zuletzt davon ab, wie sich die Strominfrastruktur in unterentwickelten Regionen ändert. Darüber hinaus werden allein bei uns in Deutschland nach 2035 noch zig Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf der Straße sein. eFuels und auch HVO könnten hier entscheidend dazu beitragen, diesen Bestand möglichst klimafreundlich zu bewahren. Und die wenigen zu erwartenden neuen Verbrenner, die nur mit eFuels betrieben werden können, stören den Klimawende in keiner Weise. Eventuell bewahrheitet sich dann auch der Satz von Ferry Porsche:

„Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein.“

Vielleicht ein Porsche 911?