Liberalisierung auf der Straße: Der Fernbusmarkt wird 10.

Wir schreiben das Jahr 2013 – Deutschland sagt JA zur Liberalisierung des deutschen Fernbusverkehrs. Eine von Dynamik, Preiskämpfen, Fusionen und Transformation geprägte Dekade ist nun vorbei. Zum zehnjährigen Jubiläum schauen wir uns diese aufregende Epoche im Detail an.

Chronologie des Wettbewerbs

Bis Ende 2012…

ist in Deutschland Fernbuslinienverkehr gesetzlich nahezu unterbunden.

Die staatlich geförderte Schieneninfrastruktur soll dadurch geschützt werden. Es existieren nur grenzüberschreitende Fernbusverbindungen, mit dem größten Anbieter Touring/Eurolines und innerdeutsche Nischenmärkte, wie Flughafenzubringer und die historischen Transitverkehre nach West-Berlin durch BerlinLinienBus.

 

Mit der Liberalisierung zum 01.01.2013 tritt eine Vielzahl von Busunternehmen im neuen Fernbusmarkt an. Allen voran expandiert das Berliner Start-Up MeinFernbus bundesweit am schnellsten und wird Marktführer. FlixBus startet zunächst in Süddeutschland und erweitert sein Netz wenig später auch bundesweit, in der zweiten Jahreshälfte treten ADAC und Post gemeinsam als Postbus an.

In dieser Expansionsphase des Fernbusmarkts versuchen sich auch kleinere und teils lokale Unternehmen im neuen Markt zu etablieren – der ein oder andere erinnert sich noch an Namen wie City2City, DeinBus, PublicExpress oder auch der bereits im Auslandsverkehr aktive IC Bus der deutschen Bahn.

Vor allem MeinFernbus und FlixBus verfolgen von Beginn an konsequent ein Subunternehmer-Geschäftsmodell, bei dem nur Vertrieb und Marketing inkl. Angebotsplanung in-house erfolgen. Anschaffung und Unterhalt der Busse, das Fahrpersonal und die betriebliche Durchführung der Verkehre verantworten unabhängige kleinere Busunternehmen.

Alle mischen mit…

Der hohe Wettbewerbsdruck mit einem aufgeblähten Fahrplanangebot bei sehr niedrigem Preisniveau führt bereits 2014 zu ersten Marktkonsolidierungen:

Die britische National Express nimmt ihre hochdefizitäre Tochter city2city wieder vom Markt, ADAC steigt aus der Postbus-Kooperation aus, DeinBus und PublicExpress melden Insolvenz an.

Der größte Umbruch in 10 Jahren Fernbusmarkt ist der Zusammenschluss der beiden bislang größten Anbieter MeinFernbus und FlixBus. So entsteht Anfang 2015 mit über 70% Marktanteil ein marktbeherrschendes Fernbusunternehmen. Offiziell wird von einer Fusion gleichberechtigter Partner gesprochen, im Grunde handelt es sich jedoch um eine Übernahme von MeinFernbus durch das mit der potenteren Investorenbasis ausgestatteten Münchner Start-Up FlixBus: In den Folgejahren scheidet das MeinFernbus-Management aus, auch aus dem Markenname wird MeinFernbus getilgt. 2015 bis 2017 kommt es zwar noch zu erneuten vorsichtigen Markteintritten durch die tschechische Student Agency mit der Marke RegioJet, den schottischen Billiganbieter Megabus und die ÖBB-Tochter Hellö, dennoch kann FlixBus seine Dominanz durch Übernahmen (Postbus, Megabus, Hellö) und Marktaustritte (BerlinLinienBus, Touring) weiter ausbauen.

Nach 5 Jahren Marktliberalisierung…

erreicht FlixBus 2018 einen Marktanteil von über 90% – und hält diese Marke bis heute.

Auch die bisher letzten Markteintritte 2019 durch die französische Ride-Sharing-Plattform BlaBlaCar (mit der übernommenen ehemaligen SNCF-Tochter Ouibus, mittlerweile BlaBlaCar Bus) und den westfälischen Kleinstanbieter Pinkbus können diese Monopolstellung nicht gefährden. Auch infolge der nachhaltigen Schwächung des Markts durch die Corona-Pandemie existiert aktuell kein nationales Wettbewerbernetz neben FlixBus, sondern nur noch meist grenzüberschreitende Einzelfahrten der letzten verbliebenen Konkurrenten BlaBlaBus, RegioJet, Pinkbus und kleineren ausländischen Busunternehmen.

Für FlixBus selbst hat der deutsche Fernbusmarkt allerdings längst an Relevanz verloren. Bereits mit der Fusion 2015 beginnt die internationale Expansion des Unternehmens: Zunächst in praktisch alle europäischen Länder, dann in die USA, 2019 wird der türkische Marktführer übernommen, 2021 kauft FlixBus mit Greyhound den US-amerikanischen Platzhirsch und startet zum Jahresende Fernbusverkehre in Brasilien.

Fazit…

Eine überaus rasante Erfolgsgeschichte, die zeigt, dass es auch ohne Erhöhung des Individualverkehrs attraktive Angebote für Reisende gibt. Wettbewerb belebt das Geschäft, erhöht die Kundenzufriedenheit und beschleunigt die digitale und nachhaltige Transformation in vielen Bereichen der Mobilität.

Spannende 10 Jahre sind vorüber – auf die Zukunft!

Und ja, am Ende kommt es oft zu erneuten Mono- oder Oligopolen, jedoch ist der Markt weiterhin liberalisiert und der Mobilitätssektor als Ganzes groß und vielseitig genug, um neue Wettbewerber:innen aufzunehmen und multimodales Reisen variationsreicher zu gestalten. Ob Fernbusse den Geschäftsreiseverkehr nachhaltig verändert haben ist allerdings fraglich, aber zumindest aus privatem Reiseanlass boomen touristische Busreisen und sind eine Ergänzung zum eigenen Auto oder Fahrgemenschaften à la blablacar.

Wie seht ihr das? Nutzt ihr Fernbusse auch für Geschäftsreisen?

 


Quellen:

Bilder: Pixabay, Pexels, Creative commons (CC BY-SA 4.0)

Content & Recherche: DB FV