Wir alle sind Vorbilder, wir alle sind wirksam

Unter dem Motto „Verstehen. Umdenken. Gestalten!“  fand am 08. November 2022 das virtuelle driversity-Netzwerktreffen statt – mit jeder Menge Beiträgen, die inspirieren, neue Impulse liefern und Mut machen.

Wenn wir nach fast drei Jahren Pandemie eines richtig gut können, dann ist es: Flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren. Und da für das geplante Netzwerktreffen in Solingen leider zu wenig Anmeldungen eingingen, entschied das driversity-Team spontan: Bevor wir uns gar nicht sehen, treffen wir uns eben virtuell! Darum meldeten sich Michael Birk, Leiter Strategisches Kunden- und Projektmanagement bei DB Vertrieb, und Moderator Dr. Arndt Pechstein live aus einem Pop-Up-Studio in Potsdam. Sie begrüßten 120 Teilnehmende, die sich unter dem Motto „Verstehen. Umdenken. Gestalten!“ vor ihren Bildschirmen versammelt hatten.

Wie wichtig diese Zusammenkünfte sind, egal ob analog oder digital, stellte Birk gleich zu Anfang klar, als er António Guterres zitierte:

Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens und sind dabei zu verlieren. Die Menschheit hat die Wahl: zusammenzuarbeiten oder unterzugehen.“

Mit diesem Satz hatte der Generalsekretär der Vereinten Nationen kurz zuvor beim Weltklimagipfel ein eindrückliches Statement gesetzt. „Wir müssen weiter an Kooperationen arbeiten und gemeinsame Wege finden“, unterstrich Michael Birk. „Die Frage ist: Wie nehmen wir die Leute mit auf diese Reise?“

 

Arndt Pechstein warb für eine neue Definition von Wohlstand:

Nicht der neue SUV oder das neue Smartphone machen uns glücklich. Sondern Beziehungen, Gesundheit, Zeit. Für die Gestaltung der Zukunft ist unsere Haltung entscheidend.“

Wir sind der Krise nicht hilflos ausgeliefert

Eine Frau, die ihre Haltung längst gefunden hat, ist Janine Steeger. Sie startete das Treffen mit ihrer Keynote: „Wie Nachhaltigkeit die Zukunft des Arbeitens prägt – und warum unsere privaten Bemühungen sich auszahlen werden.“ Als Moderatorin der RTL-Sendung „Explosiv“ jettete Steeger quer durch die Welt, doch bereits damals kamen ihr Zweifel, ob dieser Lebensstil der richtige ist. 2011 erschütterte dann die Fukushima-Katastrophe die Welt. Steeger, die zu diesem Zeitpunkt schwanger war, verfolgte zutiefst geschockt die Bilder im Fernsehen. Die Frage, wie wir eigentlich mit unserem Planeten umgehen, lässt sie seitdem nicht mehr los. Sie kündigte ihren TV-Job und krempelte erst ihren Alltag, dann ihren Beruf um: Als „Green Janine“ ist sie heute als Autorin und Eventmoderatorin mit Schwerpunkt Umweltschutz unterwegs. Natürlich mit Fahrrad und Bahn, das Auto hat sie schon vor Jahren verkauft.

„Viele Menschen sind frustriert, weil ihnen der Wandel nicht schnell genug geht“, erklärte Janine: „Sie fragen sich: Warum stoße ich immer wieder an Grenzen, warum verstehen mich die anderen nicht?“ Sie betonte, dass sie die Verzweiflung nachempfinden könne, aber: „Wir haben Möglichkeiten, wir sind der Krise nicht hilflos ausgeliefert.“ Ein Umdenken müsse einsetzen, Kooperationen gebildet werden, ein anderes Wachstum entstehen. Innovationen sollten in die Tiefe gehen, andere Blickwinkel für mehr Diversität sorgen.

„Wir alle sind Vorbilder, wir sind wirksam. Und sollten uns auch ruhig mal auf die Schulter klopfen.“

 

Präsentation Janine Steeger

Am (Im)Puls der Zeit - Agenda der Perspektiven:

Mobilstationen im Quartier

Aus Wuppertal schalteten sich Paulina Saurer, Christoph Pusch und Uwe Peter von der Neuen Effizienz dazu. Sie sprachen über das Projekt „MiQ – Mobilstationen im Quartier“, mit dem die Mobilitätswende in den Quartieren Ölberg und Mirke gefördert werden soll. Dazu gehört auch ein Konzept für ein Quartiershub, das eine Erweiterung um Elemente wie beispielsweise Treffpunkt oder Repair-Service enthalten könnte. Das Team von der Neuen Effizienz berichtete vom einem zweitägigen interdisziplinären Workshop, in man gemeinsam mit Experten aus dem driversity-Netzwerk ein Konzept erarbeitet habe – basierend auf den Wünschen der Bewohner:innen. Sie lieferten auch noch Gründe, warum so ein Quartiershub ein Baustein für Betriebliches Mobilitätsmanagement darstellen könnte (Carsharing, Co-Working, Aufwertung des Standorts). Im Projekt wurden zudem Blaupausen entwickelt, die es auch anderen Städten ermöglichen, effizient neue, verkehrsreduzierende Angebote zu schaffen.

Präsentation Neue Effizienz

 

Betriebliche Mobilität – aus der Zukunftsperspektive betrachtet

Unter dem Titel „Bahn frei fürs Klima“ erzählte DB’ler Christopher Stock, was sich die Bahn in Sachen Nachhaltigkeit alles hat einfallen lassen. Zunächst stellte er den ICE 4 vor, das neue Flaggschiff des Fernverkehrs, mit mehr Fahrradabteilen, mehr Stauraum und verbesserten W-LAN- und Telefonmöglichkeiten: Nicht nur für Geschäftsreisende eine attraktive Alternative zum Auto. Auch die neue BetriebsKlimaBahncard – eine BahnCard Business 25 1. Klasse für nur 49,90 statt 134 Euro – soll Erwerbstätige auf die Schienen locken. Interessant für alle driver:innen ist sicher auch die Climate Mobility Challenge: Hier wurden Unternehmen der Geschäftsreise- und MICE-Branche gebeten, ihre Best Practice-Projekte zu klimafreundlichen Mobilitätslösungen vorzustellen. Die sechs besten Beiträge wurden prämiert und präsentieren ihre Ideen in Homestories. Weitere tatsächlich umgesetzte Projekte, die zum Nachmachen dienen, wurden – und werden künftig verstärkt – in einem Mobilty Lookbook zusammengestellt.

Michael Birk und Kollegin Christina Menzel-Ostrowski stellten das Projekt HoriZonERO vor, das betriebliche Mobilität aus der Zukunftsperspektive heraus betrachtet. Dafür wurde ein Expertenteam aus den Bereichen Finanzen, Transport und Nachhaltigkeit gebildet, das herausfinden soll, worauf sich Unternehmen in Zukunft genau einstellen müssen.

Präsentation DB 

 

Über den Tellerrand nach Utrecht

In diesem Jahr war eine (schwer begeisterte) driversity-Gruppe zu Besuch bei Mobility Label in Utrecht – jetzt erfolgte die Gegeneinladung, zumindest digital. Der niederländische Mobility Analyst Max Mooij referierte zum Thema „Interaktive Mobilitätsanalyse“. Er erklärte, dass es in seiner Heimat üblich sei, dass Unternehmen und Behörden beim Thema Mobilität eng zusammen -arbeiten. Sein Job ist es, Datenanalysen zu erschaffen, die dem Arbeitgeber unter anderem Überblicke über mögliche Einsparpotentiale geben. Unvorstellbar für den fahrradbegeisterten Holländer: „Manche Leute in Deutschland nutzen für Strecken unter fünf Kilometer das Auto! Was vielleicht an den fehlenden Radwegen liegt.“ Max jedenfalls lud alle Interessierten nach Utrecht ein, um selber zu erleben, wie es auch anders geht.

Präsentation Mobility Label

Ab in den Süden – der Sonne nachhaltig hinterher

Nach der Mittagspause begrüßte Harald Rettich, Leiter des Corporate Partnership-Teams bei myclimate Deutschland, die Teilnehmenden zum Workshop „Anders reisen – ab in den Süden“. Er lud sie ein – auf eine fiktive Urlaubsreise nach Italien unter Berücksichtigung des ökologischen Fußabdrucks. Nicht in Zahlen ausdrücken ließen sich die Eindrücke, die man bei Bahnreisen gewinne. Neben Rettich berichteten auch andere driver:innen von ihren schönsten Urlaubs-Erlebnissen auf der Schiene. „So emotional habe ich noch nie jemanden über Bahnreisen sprechen gehört“, kommentierte Arndt Pechstein.

Präsentation myclimate

 

„Mein Auto, mein Haus, mein Boot“ war früher

Bevor Ralf Kleemeyer von der Toyota Tochter „Kinto Deutschland“ mit seinem Vortrag „Von Auto-Besitz zu Auto-Nutzen – Besitzt du noch oder nutzt du schon?“ startete, outete er sich ebenfalls als jemand, der gerne mit dem Zug verreist:

„Anders als beim Fliegen merkt man einfach, dass die Seele auch mitkommt auf dem Weg.“

Dann zeigte er den berühmten 80er-Jahre-Werbespot „Mein Auto, mein Haus, mein Boot“, um zu dokumentieren: Besitz ist heute gar nicht mehr so wichtig. Im Vordergrund stehe vielmehr der Nutzen und die Option, aus verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen. Trigger für den Wandel seien, so Ralf: Geldersparnis, Nachhaltigkeit, Verbesserung digitaler Prozesse sowie der Zugang zu Mobilitätsangeboten. Dafür habe Kinto beispielsweise eine Pendler-App entwickelt, die jedes Unternehmen ab 800 Mitarbeitenden sogar unter dem eigenen Logo laufen lassen kann.

 

 

Nachdem Ralf uns mit dem Sparkassenvideo aus vergangenen Tagen ein nostalgisches Fremdschäm-Lächeln in die Gesichter gezaubert hatte, emotionalisierte er uns erneut mit einem Zukunftsvideo der Toyota Woven City.

Präsentation Kinto

 

 

School Of Sustainability

Mit dem Thema „Wie man Nachhaltigkeit gemeinsam in Unternehmen lernen kann“ beschäftigte sich Susanne Wöllecke von ClimatePartner. Auch sie berief sich auf das Guterres-Zitat, das die Menschheit zur Zusammenarbeit aufruft. „Doch das funktioniert nur, wenn wir jeden einzelnen mitnehmen. Auch die Skeptiker, denen vielleicht einfach das Wissen fehlt.“ Sie sieht besonders bei Unternehmen ein riesiges Potential, Mitarbeitende aufzuklären und mitzunehmen. Eine Möglichkeit dazu biete die Lernplattform „School Of Sustainability“, die verschiedene Medienformate zum Thema Nachhaltigkeit unter einem Dach bündelt.

Präsentation ClimatePartner

 

Von Status zu Statement

Unter dem Titel „Mobilitätsbudget – Paradigmenwechsel im betrieblichen Mobilitätsmanagement“ berichtete Prof. Dr. Tobias Heußler von der Hochschule RheinMain von einem spannenden Projekt. Zusammen mit Studierenden hat er mit Experten und Unternehmen gesprochen, um herauszufinden, inwiefern ein Mobilitätsbudget zu einer Verhaltensänderung führt. Sein Fazit: Selbst, wenn das Instrumentarium vorhanden sei, löse das Mobilitätsbudget nicht alle Probleme, weil andere Faktoren eine Rolle spielten (Stadt oder Land? Fährt ein Bus oder nicht?).

„Wir dürfen nicht vergessen, wir sind in einer Bubble unterwegs,“

erklärte Tobias: „Gerade beim Thema Pkw haben wir immer noch mit viel Reaktanz zu kämpfen. Es gibt noch nicht genügend Alternativen, um tatsächlich alle Bedürfnisse zu befriedigen.“ Weitere Anreize – wie die Übertragbarkeit der Vorteile auf andere Familienmitglieder – seien daher wichtig. Die gute Nachricht: „Grundsätzlich gibt es eine große Begeisterungsfähigkeit für das Thema.“ Das Mobilitätsbudget könne das neue Statussymbol für Verantwortung werden: „Von Status zu Statement“.

Präsentation Mobilitätsbudget

driversity wird zur Drehscheibe

Zum Abschluss bedankte sich Michael Birk bei allen Vortragenden und wies daraufhin, dass auch bei driversity einiges im Wandel sei:

Wir wollen das Netzwerk neu ausrichten. Es passiert gerade so viel, es gibt wahnsinnig viele Lösungen, es fällt schwer, den Überblick zu behalten. Daher sehen wir uns eher als Drehscheibe: In Zukunft würden wir gerne kundennäher werden, mit unserem Wissen in die Betriebe gehen, kompakter und regionaler arbeiten.“

Den Teilnehmenden hatte das Digital-Format sehr gut gefallen, wie eine Umfrage am Ende ergab: Vor allem die Keynote von ‚Green Janine‘ kam gut an, auch die Länge und Organisation des Treffens wurde positiv beurteilt. Eine Bewertung lautete: „Thematisch sehr bunt. Das war klasse. Mehr Interaktion wäre noch wünschenswert, aber das ist digital natürlich nicht so einfach.“ Genau.

Insofern sollten wir uns schon einmal den 10. Mai 2023 vormerken – dann findet das nächste „echte“ Netzwerktreffen in Frankfurt / Rhein-Main-Region statt.

Regional geht es bereits in zwei Wochen mit dem driversity club Nord in der Factory Hammerbrooklyn weiter: Zusammen mit Quotas suchen wir Common Ground zur Frage: „Der Schlüssel zur Mobilitätswende: technische Lösungen oder Verhaltensveränderung?“ Anmeldung für den 24.11.22 in Hamburg hier.

Text: Iris Soltau, freie Redakteurin